Überleben zwischen Dürre und Hurrikan – oder doch Systemveränderung?

 

 

 

Kein entweder/oder sondern die Notwendigkeit von Überlebenskampf und Zukunftsperspektiven! Zwei Institutionen leben verschiedene Herangehensweisen von Klimaanpassung und Klimagerechtigkeit auf Forschungs- und Gemeindeebene in der südlichen Karibik in Nicaragua vor: Die NGO blueEnergy und BICU Bluefields Indian and Caribbean University. Zusammen mit den Regierungsstellen die größten Arbeitgeber der Stadt. Die Konsequenzen für die Karibikregionen sind desaströs: von erhöhten Niederschlägen, Verschiebung der Regenzeiten, Risiken für Nahrungsproduktion, erhöhte Frequenz von Hurrikans, Schäden der Korallenriffe und maritimen Ökosysteme, bis hin zu Erosion der Küsten und Anstieg des Meeresspiegels. Nicaragua zählt zu einem der gefährdendsten Länder der Welt:

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UN-Klima-Abkommen von Paris 2015

Was haben Nicaragua, Syrien und die Vereinigten Staaten gemein? Richtig, die Verweigerung des Klimaabkommens vereint das Anti-Paris Triumvirat. Aber aus unterschiedlichen Gründen. Während Trump globale Erwärmung für erfunden hält, und aus dem Klimabündnis ausgetreten ist (tritt ab 2020 in Kraft), hat Nicaragua COP21 nie zugestimmt, weil es die unverbindlichen Forderungen für zu kurz gegriffen hält.

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Von Klimagerechtigkeit und konkreten Maßnahmen zur Erreichung des 1,5/2-Grad-Versprechens sei nicht viel auszumachen, so die nicaraguanische Regierung. Denn die meisten der nationalen Aktionspläne sind eben das: nur geplant, die sogenannten Intended Nationally Determined Contributions (INDC). Bei Ratifizierung werden diese Vorhaben zu NDC. Was machen effektive NDCs aus? Die Massnahmen sollten ehrgeizig sein, transparent, die kohle- und erdölintensiven Sektoren und Industrien grundlegend transformieren und vor allem fair sein. Nicht zu Unrecht pocht der Karibik-Anrainerstaat auf bindende Zugeständnisse seitens der grossen CO2 emittierenden Staaten. Denn die 10 größten Emittenten produzieren 72% der Emissionen, die 100 kleinsten Nationen sind nur für 3% der Emissionen weltweit verantwortlich. Auf zwei Handvoll kann man auch jene Unternehmen beziffern, die für 22,5% der weltweiten Treibhausgasemissionen seit 1765 verantwortlich sind.

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Konkrete Strategien gibt es im Klima-Abkommen kaum, auch keine Sanktionierungen bei Nicht-Einhaltung der festgelegten Rechte. Halbherzige Ziele für eine 2-3 Grad Erwärmung würde aber genau für jene Länder in Lateinamerika, Südostasien oder Afrika eine 4 Grad Erwärmung bedeuten. Das sei nicht einmal eine Überlebensstrategie, sondern die Hölle für die Sahara, so der nicaraguanische Ministersekretär Paul Oquist.

Klimaanpassung und Klimagerechtigkeit in der Karibik

Doch zurück zu optimistischeren Perspektiven in der Autonomen Region der nicaraguanischen Karibik. Nicht nur reaktive Klimaanpassung, auch proaktive Veränderungen werden dort gelebt: Mangrovenaufforstung, grüne Klassenzimmer um veränderte Ökosysteme besser zu verstehen, Experimente zu karibischen Hausgärten, Bildung eines Nationalen Klimakomitees, die Etablierung eines Observatoriums für Klimawandel, Maßnahmen zur Konservierung im Fischerbereich.

Hier ein Clip von Studierenden der BICU zu Klimawandel und biologischem Anbau:

Didaktisches Material „Mein karibischer Hausgarten“ (finanziert von USAID und aufbereitet von blueEnergy, ADAR und HORIZONT3000)

 

 

 

Meine Kollegin Martina Luger ist seit 6 Jahren als Beraterin für Kapazitätsentwicklung im Bereich Umweltschutz und Klimawandel für die BICU tätig. Die Ökologin und Umweltpädagogin arbeitet an der Schnittstelle zwischen Entwicklung, Klima und Umweltschutz. Sie spricht in der KEF Radiosendung WELT IM OHR von ihren beruflichen und privaten Erfahrungen in Nicaragua. Derzeit ist sie unter anderem in folgende Projekte involviert:

Projekt „Erhaltung der Ökosysteme der Karibikkueste in Nicaragua

Finanzierung: EU, Dreikönigsaktion, ADA

Projektpartner: BICU, URACCAN, HORIZONT3000

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Hauptaktivitäten:

  • Weiterbildungen über Steuerung und Konservierung mariner Ökosysteme und nachhaltiges Unternehmertum.
  • Die Promotion zum Schutz der Küstenökosysteme anhand von didaktischem Material und Kampagnen.
  • Forschungen zum Zustand der Ökosysteme, der Bedrohungen und Potenziale.
  • Gestaltung und Implementierung von Planungsinstrumenten zur kollektiven Handhabung der Ökosysteme und ihrer geschützten Gebiete
  • Erarbeitung von Pilotprojekten zur Schaffung künstlicher Riffe und zur Restaurierung der Mangrovenwälder

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APPEAR – Hochschulkooperation zwischen BOKU und BICU

Finanzierung: ADA – APPEAR

Projektpartner: BICU, Universität für Bodenkultur Wien BOKU, HORIZONT3000

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Hauptaktivitäten:

  • Im Rahmen des Programms soll ein Observatorium für Klimawandel eingerichtet werden.
  • Lokale Foschungskapazitäten sollen aufgebaut werden, auf Basis von traditionellem und afro-nicaraguanischem Wissen.
  • Die BICU soll als Klimawandel Experte anderen Einrichtungen beratend zur Seite stehen und innovative Lösungen zu kommunalen Anpassungsstrategien (community based adaptation) entwickeln.
  • Die Studierenden der Universität sollen auf berufliche Herausforderungen im Zuge des Klimawandels vorbereitet werden.

Lösungen und wie weiter?

Es ist mehr als Alarmstufe Rot. Wir müssen unsere auf Verbrennung fossiler Energieträger basierte Wirtschaft komplett umstellen und die großflächige Entwaldung einstellen. Das ist derzeit mithin die dringlichste Herausforderung unseres Planeten, um zukünftige Konflikte, Flucht und Zerstörung entgegenzuwirken! Ich empfehle folgendes Buch der Autorin Naomi Klein: This Changes Everything, ein ambitioniertes Werk gespickt mit endlosen Quellen aus Technologie, Psychologie, Geopolitik, Wirtschaft, Ethik und Aktivismus , das Zusammenhange erklärt von Hyperkapitalismus und einem emissionshungrigen Netz von Multinationalen, das Arbeits- und Umweltrechte mit Füßen tritt.

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Lilli Fuhr von der Heinrich Böll Stiftung skizziert einige klimapolitische Lösungsansätze: Umleitung der Investitionen von Kohleminen auf erneuerbare Energien, Veränderungen in der Landwirtschaft, dem Abfallsektor und dem Verkehrssektor.

Hier kann man seine CO2 Emissionen, je nach genutztem Transportmittel kalkulieren. Und auch gleich ein Projekt unterstützen, um sein schlechtes Gewissen zu kompensieren. Ob der Ausgleich seiner eigens produzierten Emissionen in Form von Schadensbegrenzung über andere „grüne“ Projekte, sogenanntes „green/social washing“, wirklich die Lösung ist, sei dahingestellt… Tatsache ist, nur mit vereinter Kraft in allen Bereichen ist eine Systemveränderung möglich! (Langstrecken)flüge reduzieren, Konsum von Fleisch- und Tierprodukten verringern, bewusstes Konsumverhalten allgemein, regionale/lokale Nahrungsmittel verzehren, sich umweltaktivistisch engagieren, ein grünes Büro einrichten. Alles kein Allheilmittel, aber Schritte in die richtige Richtung.

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System Change not Climate Change. Creative Commons

 


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